Ehrenamt und Fördervereine: Zwischen Engagement und Systemversagen

Ehrenamtliches Engagement ist zweifellos eine wichtige Säule unserer Gesellschaft. Es bereichert das Zusammenleben, stärkt Gemeinschaften und ermöglicht viele Projekte, die sonst nicht realisierbar wären. Doch es gibt auch eine Kehrseite, die oft übersehen wird: das Ehrenamt, das reguläre, dringend benötigte Arbeitsplätze verdrängt.

Wenn Ehrenamt dazu missbraucht wird, Aufgaben zu erledigen, für die eigentlich bezahlte Fachkräfte eingestellt werden müssten, dann hört es auf, reines Ehrenamt im besten Sinne zu sein. Es wird zum unfreiwilligen Lückenbüßer für ein System, das sich aus der Verantwortung stiehlt.

Ein Beispiel, das viele Eltern kennen dürften, stammt aus dem Schulumfeld. Viele haben es selbst erlebt: Samstage, an denen Eltern den Schulhof pflegen, Klassenräume streichen oder tapezieren. Gut gemeint, keine Frage, und dem Wohl der Kinder dienend. Rechnet man jedoch den dafür nötigen Zeitaufwand zusammen, zeigt sich schnell: Hier werden potenziell reguläre Hausmeister-Arbeitsplätze wegrationalisiert. Ehrenamtliche Arbeit ersetzt notwendige professionelle Strukturen.

Das führt uns direkt zum Thema Schulfördervereine. Diese sind in den letzten Jahren vielerorts unverzichtbar geworden. Nicht, weil das Engagement der Eltern und Bürger so stark zugenommen hat, sondern weil die öffentliche Hand ihrer Finanzierungsverpflichtung für Schulen nicht mehr im ausreichenden Maße nachkommt. Fördervereine springen ein, um dringend benötigte Lehrmittel, Klassenfahrten oder Ausstattung zu finanzieren.

Das Grundproblem dabei ist offensichtlich: Alles, was ein Förderverein finanziert, müsste eigentlich vom Staat finanziert werden. Stattdessen wird die finanzielle Last auf die Eltern abgewälzt – oft auf diejenigen, die ohnehin am wenigsten haben. Sie sollen nicht nur ihre knappe Zeit im Ehrenamt opfern, sondern auch noch finanzielle Mittel über Mitgliedsbeiträge und Spenden einbringen.

Hinzu kommt die mangelnde Transparenz und die Gefahr des Missbrauchs, der bei solchen Vereinskonstruktionen im öffentlichen Sektor Tür und Tor geöffnet wird. Die „Schulkonto-Affäre“ in Windeck ist ein trauriges, aber aufschlussreiches Beispiel dafür. Wie Medien berichteten (145.000 Euro auf Schulkonto in Windeck: Affäre führt zu Rücktritt – Rheinland – WDR, Windeck: Gesamtschule will lückenlose Aufklärung nach Konto-Affäre – Radio Bonn / Rhein-Sieg), sorgte ein unerklärlich hohes Guthaben auf einem Schulkonto für Aufsehen. Die Affäre deutete auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Geldern hin, die eigentlich für schulische Zwecke gedacht waren, aber offenbar auch für private Anschaffungen genutzt wurden. Dieser Fall zeigt exemplarisch, wie anfällig solche Strukturen für Willkür und mangelnde Kontrolle sein können.

Öffentliche Aufgaben, wie die angemessene Ausstattung und Finanzierung unserer Schulen, müssen öffentlich und transparent finanziert werden. Die Auslagerung dieser Verantwortung an oft unkontrollierte Vereinskonstruktionen ist ein Armutszeugnis für den Staat und eine ungerechte Belastung für die Bürgerinnen und Bürger.

Ehrenamt ist wertvoll, wenn es das Gemeinwesen zusätzlich stärkt. Es wird problematisch, wenn es als billiger Ersatz für notwendige öffentliche Investitionen und professionelle Arbeitskräfte missbraucht wird. Wir müssen darüber sprechen, wie wir echtes bürgerschaftliches Engagement fördern und gleichzeitig sicherstellen, dass der Staat seiner fundamentalen Verantwortung nachkommt. Nur so schaffen wir faire Verhältnisse und verhindern, dass Engagement zur ungewollten Kompensation von Systemversagen wird.

Dieser Artikel erschien erstmals am 07.05.2025. Das Artikelbild wurde von ChatGPT erstellt.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de