Carl von Ossietzky: Unbeugsamer Journalist und Friedenskämpfer

Zur Zeit der Weimarer Republik, im aufziehenden Schatten des Nationalsozialismus gab es Stimmen, die unermüdlich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte eintraten. Eine der prägnantesten und mutigsten war die von Carl von Ossietzky – Journalist, Herausgeber, Pazifist und späterer Friedensnobelpreisträger.

Frühe Jahre und die Prägung durch den Krieg

Geboren am 3. Oktober 1889 in Hamburg, stammte Carl von Ossietzky aus eher einfachen Verhältnissen. Früh verlor er seinen Vater. Obwohl er ohne Abitur die Schule verließ, bildete er sich als Autodidakt unermüdlich weiter und fand schon früh zum Journalismus.

Ein entscheidender Wendepunkt und die Quelle seiner tief verwurzelten pazifistischen Überzeugung war zweifellos seine Erfahrung im Ersten Weltkrieg. Anders als viele Intellektuelle seiner Zeit ließ er sich nicht von der anfänglichen Kriegsbegeisterung mitreißen. Er wurde 1916 eingezogen und erlebte die Brutalität und Sinnlosigkeit des Krieges an der Westfront hautnah. Diese Erfahrung festigte seinen Entschluss: „Nie wieder Krieg!“ Dieses Credo sollte sein weiteres Leben und Schaffen bestimmen. Er erkannte im Militarismus und Nationalismus die Hauptursachen für das Völkermorden und widmete sein Leben fortan dem Kampf dagegen.

Die Weimarer Republik: Stimme der Vernunft in der „Weltbühne“

Nach dem Krieg engagierte sich Ossietzky in der aufkeimenden Friedensbewegung. Er wurde Sekretär der Deutschen Friedensgesellschaft in Berlin und fand seine publizistische Heimat bei der angesehenen Wochenzeitschrift Die Weltbühne. Unter dem Gründer Siegfried Jacobsohn und später, ab 1927, als deren Herausgeber, entwickelte sich Ossietzky zu einer der schärfsten und klarsichtigsten Federn der Weimarer Republik.

Die Weltbühne unter Ossietzky war ein linksliberales, demokratisches und radikal pazifistisches Blatt. Mit spitzer Feder analysierte und kritisierte er die politischen und gesellschaftlichen Missstände:

  • Den wachsenden Nationalismus und Militarismus: Er warnte unermüdlich vor den anti-demokratischen Kräften von rechts, den alten Eliten aus dem Kaiserreich und der Reichswehr, die die junge Republik untergruben.
  • Die heimliche Aufrüstung: Sein wohl folgenreichster Kampf galt der Aufdeckung der illegalen Wiederaufrüstung Deutschlands, die gegen den Versailler Vertrag verstieß.
  • Soziale Ungerechtigkeit: Er prangerte soziale Missstände an und setzte sich für eine gerechtere Gesellschaft ein.

Sein Antrieb war die Verteidigung der Demokratie und die Verhinderung eines neuen Krieges. Seine Artikel waren oft unbequem, provokant, aber immer getragen von einem tiefen humanistischen Ethos und der Überzeugung, dass Frieden nur durch Völkerverständigung und die Einhaltung internationaler Verträge gesichert werden könne.

Der „Weltbühne-Prozess“: Kampf gegen die Windmühlen der Justiz

Ossietzkys publizistischer Mut brachte ihn immer wieder in Konflikt mit der Justiz der Weimarer Republik, die oft auf dem rechten Auge blind war. Der Höhepunkt war der sogenannte „Weltbühne-Prozess“ 1931. Ossietzky und der Journalist Walter Kreiser wurden wegen eines Artikels angeklagt, der Details über die heimliche Luftwaffe der Reichswehr enthüllte – eine klare Verletzung des Versailler Vertrages.

Obwohl sie nachweislich korrekte Informationen veröffentlicht hatten, um die Öffentlichkeit über die gefährliche und illegale Politik der Reichswehr aufzuklären, wurden sie wegen „Landesverrats“ und „Verrats militärischer Geheimnisse“ zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Ossietzkys Verteidigungslinie war klar: Nicht er habe das Land verraten, sondern jene, die durch geheime Aufrüstung einen neuen Krieg vorbereiteten und die Republik gefährdeten. Er sah es als seine journalistische Pflicht an, diese Machenschaften aufzudecken, um den Frieden zu retten. Seine Motivation war nicht der Verrat, sondern die Loyalität zu den Prinzipien der Demokratie und des Friedens, die er durch die geheime Aufrüstung bedroht sah. Trotz internationaler Proteste trat er seine Haftstrafe Ende 1931 an, wurde jedoch im Rahmen einer Weihnachtsamnestie 1932 wieder freigelassen.

Widerstand bis zuletzt: Verhaftung und Nobelpreis im Konzentrationslager

Ossietzky warnte bis zuletzt vor der drohenden Gefahr durch Adolf Hitler und die NSDAP. Er hätte ins Ausland fliehen können, doch er entschied sich bewusst dagegen. Er wollte in Deutschland bleiben, um weiter publizistisch gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen. Sein Platz sei hier, bei seinen Lesern und Mitstreitern, argumentierte er.

Nur wenige Stunden nach dem Reichstagsbrand, in der Nacht zum 28. Februar 1933, wurde Carl von Ossietzky von den Nationalsozialisten verhaftet. Es begann eine jahrelange Tortur durch verschiedene Gefängnisse und Konzentrationslager, darunter Sonnenburg und Esterwegen. Er wurde schwer misshandelt, gefoltert und zur Zwangsarbeit gezwungen. Seine Gesundheit wurde systematisch zerstört.

Während Ossietzky im KZ litt, formierte sich international eine breite Kampagne, die seine Freilassung forderte und seine Nominierung für den Friedensnobelpreis betrieb. Zu dieser Zeit waren die Preisträger des Friedennobelpreises noch nicht kompromitiert. Prominente wie Albert Einstein, Thomas Mann und Willy Brandt setzten sich für ihn ein. Gegen den massiven Widerstand des NS-Regimes und auch einiger konservativer Kreise im Ausland wurde Carl von Ossietzky im November 1936 rückwirkend der Friedensnobelpreis für das Jahr 1935 zuerkannt.

Die Verleihung war eine Sensation und ein starkes politisches Signal gegen das NS-Regime. Sie ehrte einen Mann, der wegen seines Eintretens für den Frieden im Konzentrationslager saß. Die Nazis tobten, verboten ihm die Annahme des Preises und untersagten fortan allen Deutschen die Annahme von Nobelpreisen. Ossietzky selbst, bereits todkrank, wurde zwar aus dem KZ in ein Berliner Krankenhaus verlegt, stand aber weiter unter Gestapo-Bewachung. Er konnte den Preis nie persönlich in Oslo entgegennehmen.

Tod und Vermächtnis

Carl von Ossietzky starb am 4. Mai 1938 in Berlin an den Folgen der Tuberkulose, die durch die jahrelange Haft und Misshandlung massiv verschlimmert worden war.

Dieser Artikel erschien erstmals am 21.04.2025.

Das Artikelbild zeigt den Publizisten Carl von Ossietzky als Häftling in einem Konzentrationslager Esterwegen. Die Datei ist lizensiert unter der Creative CommonsAttribution-Share Alike 3.0 Germany Lizenz. Herkunft: Bundesarchiv, Bild 183-R70579 / CC-BY-SA 3.0

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de