Die Spirale der Leiharbeit

In der Beratung, wie auch in Gesprächen, werde ich immer wieder gefragt, „Ihr seid doch gegen die Leiharbeit, warum?“.

Je nach Zeit und Gemütszustand antworte ich schon mal „Na, weil sie halt scheiße ist“, das fasst den Kern schon ganz gut zusammen, ist aber natürlich um zu erklären was die Leih- und Zeitarbeit für Auswirkungen auf Leistungsberechtigte, jedoch nicht nur auf sie hat, für eine Erklärung etwas dünn.

Zunächst mal ein paar Zahlen und Fakten.
In der der Leih- und Zeitarbeit arbeiten zwischen 900.000 bis 1 Million Menschen. Die Zahlen schwanken je nach Konjunktur etwas, haben sich in den letzten 20 Jahren jedoch verfünffacht. Hierbei handelt es sich überwiegend um Helfertätigkeiten, die im Schnitt um 27% schlechter bezahlt werden als Helfertätigkeiten außerhalb der Leih- und Zeitarbeit. Wobei anzumerken ist, dass diese Stellen auch sonst nicht üppig bezahlt werden.

Im zweiten Halbjahr 2019 wurden 669.000 Beschäftigungsverhältnisse begonnen, jedoch 730.000 beendet, die Bundesagentur für Arbeit spricht hier von einer hohen Dynamik. Ich würde das eher einen Drehtüreffekt nennen, da ca. 45% der „Arbeitsverhältnisse“ schon nach einem bis drei Monaten wieder beendet sind. Der Anteil der Leih- und Zeitarbeit an der Gesamtbeschäftigung liegt zurzeit bei ca. 2,3 %. Die Stellenangebote der Leih- und Zeitarbeit machen jedoch, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit, ca. ein Drittel alle gemeldeten Stellenangebote aus. Bei einer Stichprobe die ich mal gemacht, lag der Anteil sogar bei 91%. Zusammenfassend kann man sagen, die Leih- und Zeitarbeit ist schlecht bezahlt, es sind ausgesprochen unsichere Arbeitsplätze von kurzer Dauer, und die Jobcenter können Leistungsberechtigte durch ein großes Angebot an diesen Arbeitsplätzen, recht gut in „Arbeit“ vermitteln, wenn meist auch nur kurz.

Was aber genau passiert mit denen, die in eine Spirale aus einer kurzzeitigen Beschäftigung in der Leih- und Zeitarbeit und dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) kommen?

Sie teilen dem Jobcenter mit, dass sie ab dann und dann bei Firma XYZ anfangen. Daraufhin stellt das Jobcenter in der Regel seine Leistungen erst mal vorsorglich ein, da ja nicht abzusehen ist, wenn der erste Lohn bezahlt wird und ob dieser bei den Leistungen anzurechnen ist. Das heißt, man steht im ersten Monat ohne Geld da, da die Leistungen vom Jobcenter im Voraus, der Lohn jedoch im Nachhinein gezahlt wird. Man kann hier zwar einen Antrag stellen, dass die Leistungen als Darlehen im ersten Monat weitergezahlt werden, das Jobcenter muss diesen Antrag jedoch nicht bewilligen. Zudem möchte das Jobcenter meistens den Arbeitsvertrag sehen, wozu es nicht berechtigt ist, und verlangt die Vorlage einer Lohnbescheinigung.

Hat man eine Familie, wird man sehr wahrscheinlich weiter beim Jobcenter verbleiben, da der Lohn nicht ausreicht um den Bedarf zu decken. Was wiederrum bedeutet, dass man dem Jobcenter monatlich seine Gehaltsabrechnung vorlegen muss, damit überprüft werden kann wieviel Leistungen der „Bedarfsgemeinschaft“ zustehen.

Hat man ein schwankendes Einkommen, löst dies eine Kette aus Überzahlungen, Unterzahlungen, Rückzahlungen, Aufhebung von Bescheiden, Neuberechnungen von Bescheiden usw. aus, mit denen die Leistungsberechtigten vollkommen überfordert, und die meisten Bescheide auch noch falsch sind. Ich hatte schon Fälle in der Beratung bei denen diese Bewilligungen, Aufhebungen und Anrechnungen für drei Monate mal eben 30 bis 40 Seiten umfasst haben.

Wird man nach drei Monaten gekündigt, was wie wir wissen, in 45% der „Arbeitsverhältnisse“ der Fall ist, läuft das Spiel rückwärts ab. Man muss einen neuen Antrag stellen, alles Mögliche an Unterlagen, inkl. der Kontoauszüge beibringen, der Lohn wird auf die Leistungen angerechnet und man steht wieder mal ohne Geld da, da die Bearbeitung des Antrags zwischen vier bis acht Wochen dauert.

Hat der Arbeitgeber einen schwammigen Kündigungsgrund angegeben oder unberechtigt eine fristlose Kündigung ausgesprochen setzt diese die Maschinerie der Sanktionen oder des „Sozialwidrigen Verhaltens“ (§ 34 SGB II) in Gang, was nochmals eine Papierflut auslöst.

Ich hatte schon Fälle in der Beratung, die diese Tortur dreimal im Jahr durchlebt, oder besser gesagt durchlitten haben, und danach so fertig waren, dass sie ernsthaft erwogen haben sich das Leben zu nehmen.

Und wozu das Ganze, nur damit wir uns damit brüsten können den größten Niedriglohnbereich zu haben, alle bis auf den letzten Tropfen Blut auspressen zu können, Löhne zu drücken, die Gewerkschaften zu schwächen und die Reichen noch reicher zu machen.

Das sind die Gründe warum wir gegen Leih-und Zeitarbeit sind, oder um es kurz zu formulieren, weil sie halt scheiße ist.

Dieser Artikel wurde im Oktober 2023 erstellt. Das zu diesem Artikel verwendete Bild ist ein Beispielbild von Wilfried Pohnke auf Pixabay.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de