Arm gelebt, arm in Rente, arm gestorben, ärmlich verscharrt.

Es heißt ja immer, dass man mit einer positiven Aussage anfangen soll, hätte ich ja auch gerne gemacht, aber, es gibt nichts Positives zum Thema Altersarmut.

Daher möchte ich als Einstieg Volker Pispers aus seinem Programm „bis neulich“ von 2014 zitieren:
Ich mache seit 31 Jahren Kabarett über dieselben Themen. Ich mache seit 31 Jahren Kabarett über Rente, über Gesundheit, über Staatsverschuldung, über Arbeitslosigkeit, über Steuergerechtigkeit, über Bildungsproblematik. Das sind zentrale Themen in einer Gesellschaft. ADAC hat mich noch nie so richtig interessiert. Jetzt zeigen Sie mir einen einzigen Bereich wo diese 5 Parteien, CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne in den letzten 30 Jahren für den Großteil der Bevölkerung irgendwas verbessert haben. Sollen wir mit der Rente anfangen? Ne, lieber nicht. Da fangen wir an zu weinen. Bildungspolitik lassen wir auch weg, da ist auch . . , ne, nicht wirklich. Aber was ist mit dem Gesundheitswesen? Da haben wir eine Reform nach der anderen gehabt, nicht? Gesundheitswesen – Jahrhundertreformen haben sich da gestapelt. Wo ist es eigentlich besser geworden? Im Krankenhaus, in den Praxen, für die Ärzte, für die Patienten? Ist es für das Personal besser geworden? Ist es im Pflegeheim besser geworden? Im Altersheim? Wo ist es besser geworden? Helfen Sie doch mal, Sie wählen die doch immer wieder. Was ist mit den Arbeitslosenzahlen? Haben wir weniger Arbeitslose als vor 30 Jahren? Die Politik von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen. Haben wir mehr oder weniger Staatsschulden als vor 30 Jahren durch die seriöse Haushaltspolitik von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen? Was ist mit der Steuergerechtigkeit? Wie oft haben die versprochen, das Steuersystem gerechter zu machen, und transparenter? Ich kann das kaum noch erkennen, ne. Helfen Sie mir. Ich gebe Ihnen 6 Wochen Zeit für die Recherche. Und Sie dürfen auch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Anspruch nehmen. Es kann sich nichts ändern, meine Damen und Herren.

Anmerkung von mir, heute würde er mit Sicherheit auch die Partei DIE LINKE mit in die Aufzählung der Parteien aufnehmen.

Arm gelebt:
2022 wurden 19 % der Beschäftigungsverhältnisse mit Niedriglohn entlohnt. Damit wurde fast jeder fünfte Job brutto pro Stunde mit weniger als 12,50 Euro entlohnt.

Daran dürfte auch die Anhebung des Mindestlohns nicht viel geändert haben, belastbare Zahlen dazu liegen jedoch noch nicht vor. Vor ein paar Jahren hat die Regierung eine Studie zur privaten Altersvorsoge erstellen lassen und die Studie betont ausdrücklich, wie wichtig diese Altersvorsoge ist, da anzunehmen ist, dass das Rentenniveau weiter abgesenkt werden wird. Zwei Seiten weiter hat sie dann festgestellt, dass die, die diese private Altersvorsorge am nötigsten brauchen, weil sie nur ein geringes Einkommen erzielen, sich diese gar nicht leisten können.
Für mehr als ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland reicht der Lohn rechnerisch nur für eine Rente unter 1200 Euro netto.“
Das heißt, dass von den derzeit 45,79 Millionen Vollzeitbeschäftigten 15,26 Millionen eine Rente unterhalb von 1200,- Euro bekommen werden und 4,9 Millionen sogar nur eine Rente von unter 1000,- Euro bekommen oder bekommen werden.

Arm in Rente:
Knapp drei Millionen Menschen über 65 Jahren sind von Armut bedroht
Und von denen bezogen im Jahr 2022 658.540 Personen Grundsicherung im Alter, und dabei ist die Dunkelziffer, die stolze 68% beträgt noch nicht einmal eingerechnet, rechnet man sie ein, kommt man auf über 1,1 Millionen Menschen, die Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben. Zudem ist die Tendenz stark ansteigend, betrachtet man den Zeitraum der letzten 19 Jahre, sieht man, dass sich die Zahl der Menschen, die Grundsicherung im Alter beziehen um den Faktor 2,6 erhöht hat.

Geht man von einer gleichmäßigen Erhöhung aus, und bezieht die Dunkelziffer mit ein, werden wir im Jahr 2042 knapp drei Millionen Menschen haben, die Anspruch auf Grundsicherungsleistungen haben. Meiner Schätzung nach werden es jedoch deutlich mehr sein, da bis jetzt noch relativ viele eine geschlossene Erwerbsbiografie über 40 und mehr Jahre haben. Durch die Agenda 2010 wurden jedoch viele Erwerbsbiografien gebrochen und wer heute mit 50 seinen Job verliert, findet keinen neuen, da die Firmen, die händeringend Fachkräfte suchen, niemanden über 50 einstellen, in manchen Branchen, wie der IT Branche zum Beispiel liegt die Schwelle sogar bei 45 Jahren. Eine nähere Betrachtung was in der Zeit passiert, in der man mit 50 gekündigt wird, bis zu der Zeit, in der man in Rente geht lohnt sich, da man sehen kann, wie Lebensleistung vernichtet wird und wie es zur Altersarmut kommt.

Als Beispiel möchte ich hier einen Facharbeiter anführen, der alleine lebt, 30 Jahre gearbeitet, 4000 Euro brutto verdient und monatlich 15% seines Gehalts angespart hat. Nach der Kündigung, bekommt er 18 Monate Leistungen nach dem SGB III, die ca. 1680,- Euro betragen, er wird sich zwar einschränken müssen, kann davon aber noch recht ordentlich leben, wenn seine Miete nicht zu hoch ist, ist sie zu hoch, wird es schon eng. Danach würde er in Hartz IV (neudeutsch Bürgergeld) fallen, tut er aber nicht, da er ja Geld angespart hat, bei 30 Jahren und 15% seines Lohns sind das ohne Zinsen 150.000 Euro. Von den 150.000 Euro muss er erst mal 110.000 Euro verleben, bei geschätzten monatlichen Ausgaben von 2000,- Euro, was in etwa dem Arbeitslosengeld plus der Krankenkasse entspricht hat er viereinhalb Jahre keinen Anspruch auf Hartz IV. Hat er sich bis auf 40.000 verausgabt, kann er einen Antrag stellen und bekommt für ein Jahr Hartz IV. Nach dem Jahr hat er aber wieder keinen Anspruch auf Hartz IV, da er, im besten Fall noch seine 40.000 Euro hat und muss ein Vermögen bis auf 15.000 Euro weiter verausgaben, was ein weiteres Jahr dauert. Mittlerweile ist er 58 und bekommt die restlichen Jahre bis zur Rente Hartz IV.

Seine Rente beträgt, wenn man linear rechnet, sprich davon ausgeht, dass er die ganzen 30 Jahre 4000 Euro Brutto bekommen hat, was zwar unwahrscheinlich ist, sich jedoch besser rechnen lässt ca. 1200 Euro im Monat. Wobei wir wieder bei dem Drittel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland angekommen sind, die 1200,- Euro Rente, oder weniger bekommen. Und mit seinen 4000,- Euro brutto, liegt er schon deutlich über dem Äquivalenzeinkommen, dass bei ca. 2.700 Euro brutto im Monat liegt, was die Rente natürlich weiter in den Keller stürzen lässt.

So vernichtet man Lebensleistung und erzeugt Armut im Alter.

Arm gestorben, ärmlich verscharrt:
Alles was lebt stirbt!

Menschen, die länger Zeit in Armut gelebt haben sterben früher als reiche, so sterben arme Männer 10 Jahre und arme Frauen 8 Jahre früher als die oberen 10% der Gesellschaft, die über mehr als genügend Mittel verfügen um sich gesund zu ernähren, sich IGeL Leistungen leisten, sich privat behandeln und sich vernünftig pflegen lassen können, wobei Altersarmut im Alten- oder Pflegeheimen ein Thema ist, über das man nochmal ein paar Seiten füllen könnte.

Und wer meint, Geld allein macht nicht glücklich, ja, aber es erleichtert das Leben doch ungemein und führt in den wenigsten Fällen zu Depressionen, von denen weit über ein Drittel der Grundsicherungsberechtigen betroffen sind.

Was viele nicht wissen, in Deutschland gibt es eine Bestattungspflicht, die Wikipedia folgendermaßen definiert:
Bestattungspflicht ist die Pflicht, nach dem Tod einer Person dafür zu sorgen, dass deren Leichnam einer ordnungsgemäßen Bestattung zugeführt wird.
Wohlgemerkt „ordnungsgemäß“ und nicht „würdevoll“!

Ich habe mal recherchiert, was eine Beerdigung kostet und bin auf folgendes gestoßen:
Je nachdem, welche Wünsche und Vorstellungen die Angehörigen haben, liegen die Gesamtkosten einer Bestattung zwischen ca. 2.000 Euro für eine einfache anonyme Feuerbestattung und 10.000 Euro und mehr für eine hochwertige Erdbestattung.
Stirbt jemand, der Grundsicherungsleistungen bezieht und können die Angehörigen, sofern vorhanden, die Kosten für die Beerdigung nicht aufbringen, weil sie selbst arm sind, was wahrscheinlich ist, da sich Armut genau wie Reichtum vererbt, übernimmt das Sozialamt die Kosten.
Die Sozialbestattung wird in diesen Fällen mit einem Zuschuss vom Sozialamt gezahlt. Dieser beträgt 1.481 Euro im Höchstsatz.

Bei dieser opulenten Höhe muss man erst mal einen Bestatter finden, der bereit ist es für diesen Preis zu machen und bereit ist in Vorleistung zu treten, da sich das Sozialamt gerne mit der Bezahlung Zeit nimmt und zur Kostenübernahme Anträge gestellt werden müssen, was für die Angehörigen neben der Trauer eine zusätzliche Belastung darstellt und in dem Fall, dass keine vorhanden sind, es für den Bestatter ein zusätzlicher Aufwand ist.

Ich habe mal einen Artikel gelesen, bei dem eine Leiche ganze 8 Wochen nicht verbrannt und bestattet wurde, weil sich kein Bestatter gefunden hat, der bereit war eine Beerdigung für 1.481 Euro durchzuführen.

Zum Schluss musste sich das Ordnungsamt einschalten, da die Bestattungsfrist massiv überschritten war und wer meint, dass könnte doch nur ein schlechter Scherz sein, nein, es gibt tatsächlich ein „Friedhofs- und Bestattungsgesetz“, es gibt jedoch kein Gesetz das vor Armut schützt.

Somit setzt sich unsere Klassengesellschaft selbst über den Tot hinaus nahtlos fort, da die Armen anonym verscharrt werden und die Reichen sich Prunkschlösser auf dem Friedhof leisten können, damit ihre Nachfahren sich jederzeit dankbar für ihr Ererbtes zeigen können.

Robert Schwedt, Aachen den 29.09.2023

Das Bild zu diesem Artikel ist ein Beispielbild, es wurde mit Dall-E erzeugt.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de