Eigentlich gehöre ich zu denen, die das Thema Corona nicht mehr hören können. Die froh sind, dass diese Zeit vorbei ist – mit all ihren Verwerfungen, Zumutungen und der ständigen Überforderung. Lasst uns doch einfach in Ruhe, sagen viele. Ich verstehe das gut. Mir geht es oft genauso.
Doch wenn ich meine Gefühle kurz zur Seite schiebe und nachdenke, komme ich zu einem anderen Schluss: Eine Aufarbeitung der Corona-Zeit ist notwendig. Nicht aus Rache. Nicht, um Köpfe rollen zu sehen. Sondern weil diese Zeit etwas offenbart hat, das wir nicht ignorieren dürfen: Wie schnell und wie gründlich unsere Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden – und wie wenig Widerstand es dagegen gab.
Es wurden Gründe vorgeschoben, um faktisch jedes Grundrecht auszuhöhlen – ja, in Teilen komplett abzuschaffen. Die Versammlungsfreiheit, die Freizügigkeit, die freie Berufsausübung, das Recht auf körperliche Unversehrtheit – alles stand plötzlich unter Vorbehalt. Ganze Wohnblocks wurden abgeriegelt, Menschen durften ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. Hätte das nicht der Staat getan, hätten wir das Freiheitsberaubung genannt.
Und das Ganze geschah auf einer zweifelhaften Datenbasis. Die Wirksamkeit der Impfstoffe wurde überhöht, Nebenwirkungen kleingeredet oder schlicht geleugnet. Die Zahlen zur Verbreitung des Virus waren unzuverlässig – und doch Grundlage für tiefgreifende Maßnahmen. Der Staat hat in enger Abstimmung mit großen Teilen der Medien eine Erzählung durchgesetzt, die kaum noch hinterfragt werden durfte. Selbst die Gerichte – die letzten Garanten unserer Verfassung – urteilten auf Basis von Annahmen, die wir heute vielfach als falsch erkennen.
Was in der Corona-Zeit passiert ist, war ein Staatsversagen auf breiter Front. Die „checks and balances“, die in einer Demokratie dafür sorgen sollen, dass Macht nicht missbraucht wird, haben versagt. Medien, Justiz und Politik – sie alle haben nicht kontrolliert, sondern exekutiert. Das ist brandgefährlich.
Denn das Muster wiederholt sich. Es braucht keine Pandemie, um Grundrechte einzuschränken. Es reicht, wenn eine „elementare Gefahr“ ausgerufen wird. Der Klimawandel? Der Krieg in der Ukraine? Die „russische Bedrohung“? Alles wird zur existenziellen Krise stilisiert – und alles rechtfertigt dann plötzlich neue Einschränkungen. Kritik wird als unsolidarisch abgetan. Journalisten, die widersprechen, werden sanktioniert und isoliert. Und wieder: kaum Widerspruch, kaum Kontrolle.
Wenn wir die Corona-Zeit nicht aufarbeiten – ehrlich und schonungslos –, dann machen wir genau so weiter. Oder schlimmer: Wir sind schon wieder mittendrin.
Darum ist die Aufarbeitung notwendig. Auch wenn sie nervt. Auch wenn man das Thema am liebsten abhaken würde. Es geht nicht um Vergangenheit. Es geht um unsere Gegenwart. Und um das, was aus dieser Demokratie noch werden kann.
Dieser Artikel erschien erstmals am 09.06.2025. Das Artikelbild ist ein Beispielbild von Franz P. Sauerteig auf Pixabay.
Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de