Doppelmoral – auch in der Innenpolitik

Bisher war der Blick in der Regel nach außen gerichtet, wenn von der Doppelmoral des Westens die Rede war. Kriege, Interventionen und andere außenpolitische Angelegenheiten werden vom Westen, so der (berechtigte) Vorwurf, anders betrachtet, wenn sie von westlichen Akteuren selbst ausgehen. Dieser Vorwurf ist bekannt, auch wenn Bestrebungen zur Änderung nicht erkennbar sind.

Doch das Phänomen der Doppelmoral ist keineswegs auf die Außenpolitik beschränkt. Auch in der Innenpolitik lässt sich diese Doppelmoral deutlich erkennen. Ein Beispiel dafür sind die unterschiedlichen Maßstäbe, die an Demonstranten in verschiedenen Ländern angelegt werden.

Doppelmoral in der Justiz
In Deutschland wurden Demonstranten vor Gericht gebracht und verurteilt, weil sie eine Plastiktüte mit sich führten – die als passive Bewaffnung eingestuft wurde. Dies wurde von der bürgerlichen Presse weitgehend nicht kritisiert oder gar als gerechtfertigt dargestellt. Im Vergleich dazu werden in Ländern wie Venezuela, Russland oder im Iran Menschen, die Molotowcocktails werfen oder sogar Menschen ermorden, von Teilen der westlichen Presse und Politik zu Helden stilisiert.

Der Fall Navalny
Ein weiteres Beispiel ist Alexei Navalny, der im Westen als Oppositioneller in Russland gefeiert wird. Navalny hat jedoch auch eine dunkle Seite, die im westlichen Diskurs häufig unter den Teppich gekehrt wird. Seine nationalistischen und teils offen rassistischen Ansichten würden ihn in Deutschland als lupenreinen Faschisten qualifizieren. Als solcher würde er in Deutschland zu Recht verurteilt werden.

Der Umgang mit Whistleblowern
In den USA wird Chelsea Manning, die zahlreiche Kriegsverbrechen des US-Militärs aufgedeckt hat, als Verräterin bezeichnet und musste eine langjährige Haftstrafe antreten. Edward Snowden, der die Überwachung amerikanischer Bürger durch die NSA öffentlich machte, lebt im Exil. Julian Assange wird seit Jahren verfolgt, ist in England eingekerkert, allein weil er Kreigsverbrechen der USA aufdeckte. In diesen Fällen spricht die offizielle Rhetorik von „Verrat“ anstatt Whistleblowing zu würdigen. Die deutsche Regierung weigert sich bis heute, den genannten Asyl anzubieten. Im Vergleich dazu werden Dissidenten und Whistleblower in autoritären Staaten oft als Helden gefeiert.

Die Rolle der Polizei
In westlichen Ländern, besonders in den USA, aber auch in Deutschland, gibt es immer wieder Fälle von Polizeigewalt, die von offizieller Seite oft gerechtfertigt oder heruntergespielt werden. Zugleich wird Polizeigewalt in anderen Ländern scharf verurteilt und als Zeichen der Tyrannei interpretiert.

Wirtschaftliche Ungleichheit
Während im Westen häufig die wirtschaftliche Entwicklung in Ländern wie China kritisiert wird, insbesondere im Hinblick auf die Kluft zwischen Arm und Reich, wird das eigene wirtschaftliche System selten hinterfragt. Die steigende Ungleichheit in Ländern wie den USA oder auch in Teilen Europas wird oft als Nebenprodukt des „freien Marktes“ akzeptiert, anstatt als systemisches Problem behandelt zu werden.

Umgang mit politischen Extremen
In vielen westlichen Ländern wird der Aufstieg rechtsextremer Parteien und Gruppierungen oft als Ausdruck der Meinungsfreiheit toleriert. Im Gegensatz dazu wird der Einfluss von politischen Extremen in anderen Ländern als Zeichen der Instabilität und als Gefahr für die Demokratie gesehen.

Fazit
Die Doppelmoral in der Innenpolitik ist ein ernstzunehmendes Problem, das nicht nur die Glaubwürdigkeit des Westens untergräbt, sondern auch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Legitimation in Frage stellt. Es ist an der Zeit, diese Doppelmoral nicht nur zu benennen, sondern auch aktiv dagegen vorzugehen. Nur so können wir eine gerechte und glaubwürdige Politik, sowohl innen- als auch außenpolitisch, gewährleisten.

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Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de