In einer Welt, in der die Aufklärung und die Menschenrechte gefeiert werden, neigen wir im Westen dazu, uns selbst auf die Schulter zu klopfen und zu glauben, wir hätten eine moralische Überlegenheit gegenüber unseren Vorfahren erreicht. Sicherlich, die Bilder der kolonialen Unterdrückung und die rassistischen Ideologien der Vergangenheit erscheinen uns heute barbarisch. Doch wie tief sitzt unser Verständnis für Gerechtigkeit und Gleichheit wirklich? In einer globalisierten Welt, in der Handelsabkommen und geopolitische Strategien Nationen verbinden und trennen, offenbart sich eine neue Form des Rassismus – subtiler, doch nicht weniger tödlich.
Die Handelspolitik der wirtschaftlich starken westlichen Länder zeigt eine fortgesetzte Ausbeutung der Ressourcen und Arbeitskräfte der weniger entwickelten Länder. Die Verträge mögen auf Papier fair erscheinen, doch die reale Umsetzung entlarvt oft eine Ungleichheit, die an koloniale Ausbeutung erinnert. Ein prominentes Beispiel ist der Umgang mit Medikamentenpatenten. Während der Corona-Pandemie und in der anhaltenden HIV-Krise in Afrika stellten Patente eine massive Hürde für Länder wie Südafrika dar, eigene Medizin zu produzieren und die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern. Unsere westlichen Pharmakonzerne hingegen profitierten enorm von diesen Patenten, ein dunkles Echo der kolonialen Ausbeutung.
Auch die Sanktionen gegen den Irak in den 1990er Jahren zeigen, wie westliche Politik Leben in anderen Teilen der Welt kostet. Laut der damaligen US-Außenministerin Madeleine Albright forderte diese Politik das Leben von 500.000 irakischen Kindern – ein Preis, der, so Albright, es wert war. Hier zeigt sich eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Anderen, eine Gleichgültigkeit, die puren Rassismus zeigt.
Die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wirft ebenfalls Fragen auf. Die Mehrzahl der Angeklagten stammt aus afrikanischen Ländern, während westliche Führer trotz offensichtlicher Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen ungeschoren bleiben. Auch die Vergabe des Friedensnobelpreises an Barack Obama, der später die Drohnenangriffe intensivierte, zeugt von einer Doppelmoral, die tief in unserer westlichen Gesellschaft verwurzelt ist.
In der Debatte um Gerechtigkeit und Gleichheit auf der internationalen Bühne hat sich auch an anderer Stelle ein beunruhigendes Muster offenbart: Die selektive und ungleiche Anwendung von Recht und Sanktionen, die in manchen Fällen rassistische Tendenzen widerspiegelt. Ein deutliches Beispiel hierfür ist die Idee, einen speziellen Gerichtshof ausschließlich zur Verfolgung der Kriegsverbrechen eines bestimmten Landes, in diesem Fall Russlands, zu schaffen. Diese Vorgehensweise setzt ein gefährliches Präjudiz, dass einige Nationen – oft nicht-westliche oder als Feinde betrachtete – strenger und unerbittlicher bestraft werden, als andere. Die Einrichtung eines solchen Gerichtshofes nur für Russland wirft ein scharfes Licht auf das Ungleichgewicht der internationalen Justiz, wo einige Länder und ihre Bürger härteren Maßstäben unterliegen als andere.
Diese selektive Gerechtigkeit spiegelt sich auch im Sport wider, einem Bereich, der eigentlich als unpolitisch und fair gelten sollte. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat russische Athleten von der Teilnahme an vielen Wettbewerben ausgeschlossen, als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine. Während dieser Ausschluss als politisches Statement verstanden werden kann, offenbart der Vergleich mit anderen Nationen, wie Israel, dessen Sportler trotz des Angriffs auf Gaza nicht in ähnlicher Weise sanktioniert wurden, eine Inkonsistenz, die Fragen aufwirft. Die Begründung, israelische Sportler seien nicht für die Handlungen ihrer Regierung verantwortlich, während russische Athleten kollektiv bestraft werden, deutet auf eine Doppelmoral hin, die auf einer ungleichen Wahrnehmung basiert – eine Wahrnehmung, die durchaus rassistische Untertöne hat.
Es ist eine bittere Pille, doch wir müssen uns der Realität stellen: Der moderne Westen ist nicht so aufgeklärt und gerecht, wie er sich gerne darstellt. Unsere Handelspolitik, unsere militärische Aggression und unsere Ungleichbehandlung auf internationaler Bühne offenbaren einen verdeckten Rassismus, der weit über die persönliche Ebene hinausgeht. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet: Sind wir bereit, uns dieser dunklen Seite zu stellen und eine wirklich gerechte und gleichberechtigte globale Gemeinschaft zu schaffen?
Dieser Artikel wurde am 06.11.2023 erstellt. Das Artikelbild ist ein Beispielbild, welches von Dall-E generiert wurde.
Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de