Der innere Ablasshandel: Ein Einblick in die moralische Lizenzierung

In der heutigen Gesellschaft gibt es zahlreiche Möglichkeiten, moralisches Verhalten zu zeigen, sei es durch den Kauf von Bio-Lebensmitteln, das Tragen politisch aktiver Symbole oder das Spenden für wohltätige Zwecke. Doch wie beeinflusst dieses moralische Handeln unser Verhalten in anderen Lebensbereichen? Forschungen rund um das Konzept der moralischen Lizenzierung bieten interessante Einblicke, die unser Verständnis über die Dynamik des menschlichen Verhaltens erweitern können.

Die moralische Lizenzierung beschreibt das Phänomen, dass Menschen nach einer moralisch positiven Handlung eher geneigt sind, eine weniger moralische oder sogar unmoralische Handlung zu begehen. Dies wird durch die Idee erklärt, dass eine anfängliche moralische Handlung das moralische Selbstbild bestätigt und somit nachfolgende unmoralische Handlungen rechtfertigt​ ( siehe auch https://www.researchgate.net/publication/319145704_Moral_Licensing_A_Culture-Moderated_Meta-Analysis, https://de.wikipedia.org/wiki/Moralische_Lizenzierung). In gewisser Weise verfügen Menschen über ein „moralisches Konto“, auf das sie einzahlen, wenn sie gute Taten vollbringen, und von dem sie abheben, wenn sie sich zu einem späteren Zeitpunkt weniger moralisch verhalten (https://lexikon.stangl.eu/16141/moral-licensing).

Ein Beispiel für moralische Lizenzierung könnte hypothetisch in der Art und Weise gesehen werden, wie einige Menschen ihren Einkauf im Biomarkt erledigen. Es könnte sein, dass Menschen, die im Biomarkt einkaufen, sich selbst als moralisch handelnde Individuen sehen und dies möglicherweise als Rechtfertigung verwenden, um an anderer Stelle, wie etwa beim unberechtigten Parken auf einem Behindertenparkplatz, weniger moralisch zu handeln.

Diese Art von innerem Ablasshandel könnte auch die Motivation hinter dem Tragen provokativer politischer Symbole erklären. Ist die Hauptidee dahinter wirklich, eine politische Botschaft zu vermitteln, oder geht es eher darum, sich selbst als moralisch überlegen zu fühlen? Irgendwer hat mir von einem Comedian erzählt, der dieses Phänomen humorvoll aufgegriffen haben soll. Obwohl mir die genaue Show unbekannt ist, kann ich mir vorstellen, wie er das Konzept des inneren Ablasshandels satirisch und überspitzt darstellte: Vielleicht schlug er ein „Wohlfühlpaket“ vor, bei dem man für eine gute Sache unterschreiben, einen bestimmten Button tragen und etwas spenden kann, um sich dann erlauben zu können, Frau und Kinder zu misshandeln, und sich dennoch als guter Mensch zu fühlen.

Die Vorstellung des inneren Ablasshandels und der moralischen Lizenzierung stellt die Frage, wie wir ein ausgewogenes moralisches Verhalten fördern können, ohne in die Falle der Selbstgerechtigkeit zu tappen.

Das Bild zu deisem Artikel ist ein Beispielbild, welches von Dall-E erzeugt wurde. Es zeigt ein Foto von einer Straßenszene vor einem Bio-Laden. Eine Gruppe von Menschen verlässt den Laden, einige tragen wiederverwendbare Taschen mit Bio-Produkten. In der Nähe steht ein Auto mit einem grünen „Öko-freundlich“-Aufkleber auf einem für Behinderte reservierten Parkplatz, an dessen Windschutzscheibe ein Strafzettel wegen Parkverstoßes klebt. Beispielbild, von Dall-E erzeugt. Dieser Artikel wurde am 28.10.2023 erstellt.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de