Warum Reinhard Meys „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ gerade jetzt (Oktober 2025) so erfolgreich ist

Ein fast 40 Jahre altes Lied erlangt neue Popularität. Reinhard Meys pazifistische Hymne „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ (oft auch zitiert als „Meine Söhne kriegt ihr nicht“) aus dem Jahr 1986 erlebt eine Renaissance – und mit ihr die fundamentale Frage, welche Haltung Deutschland zu Krieg und Militär einnimmt. Eine aktuelle Entscheidung des SWR sorgt nun für zusätzlichen Zündstoff.

Die jüngste Kontroverse entzündete sich im Oktober 2025: Der Südwestrundfunk (SWR) nahm den Song „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ von der Vorschlagsliste für seine populäre „SWR1 Hitparade“.

Jahrelang war das Lied ein fester Bestandteil der Top-Platzierungen, oft in den Top 20. Die offizielle Begründung des Senders lautet, man habe einen „Manipulationsverdacht“ durch organisierte Abstimmungsaufrufe in Fan-Gruppen festgestellt. Das Lied könne jedoch weiterhin über eine „freie Eingabe“ manuell nominiert werden.

Diese Erklärung stößt bei vielen Hörern und Kritikern auf Unverständnis und Misstrauen. Dem SWR wird ein „G’schmäckle“ (schlechter Beigeschmack) attestiert. Der Vorwurf: Der Sender agiere in vorauseilendem Gehorsam und habe den unbequemen, radikal-pazifistischen Song aus politischen Gründen entfernt. Das Lied passe nicht mehr in den aktuellen politischen Kriegsmodus und die gesellschaftliche Stimmung, die sich zunehmend einer militärischen Ertüchtigung zuwende.

Dass die Nerven bei diesem Thema blank liegen, ist kein Zufall. Die SWR-Entscheidung fällt mitten in eine der hitzigsten Debatten der letzten Monate: die mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland.

In Berlin wird intensiv über ein neues Modell der „Wehrerfassung“ für 18-Jährige diskutiert. Diese Debatte hat Meys Lied aktueller denn je gemacht. In Online-Foren und Kommentarspalten wird der Text zur argumentativen Waffe: Gegner der Wehrpflicht zitieren die Zeile „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ als Statement gegen den staatlichen Zugriff auf das Leben junger Menschen.

Schon im Frühjahr 2025 wurde der Song, etwa von den „NachDenkSeiten“, als Symbol des Protests gegen die massive Aufrüstung und die Hunderten Milliarden Euro, die für das Militär bereitgestellt werden, hervorgehoben.

Die Popularität und die Suchanfragen nach dem Lied sind in den letzten Jahren signifikant gestiegen, und das in mehreren Wellen.

  1. Erste Welle (Frühjahr 2022): Der erste massive Anstieg der Aufmerksamkeit erfolgte unmittelbar nach dem Beginn des Ukrainekrieges. Das Lied wurde zur Hymne derer, die deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen und vor einer Eskalation warnten.
  2. YouTube-Explosion: Die Wikipedia-Analyse zum Song bestätigt diesen Trend: Bis Oktober 2022, also nur wenige Monate nach Kriegsbeginn, schnellte die Zahl der Aufrufe des Musikvideos auf YouTube auf über 11,5 Millionen hoch. Eine 2020 von Mey und Freunden (darunter viele prominente Musiker) neu aufgenommene Version zur Unterstützung des Friedensdorf International trug ebenfalls zur anhaltenden Präsenz bei.
  3. Zweite Welle (2024/2025): Der zweite Peak, der bis heute anhält, ist direkt an die innenpolitische Wehrpflicht- und Aufrüstungsdebatte gekoppelt. Die aktuellen Suchanfragen und die Berichterstattung (wie der SWR-Fall zeigt) belegen, dass das Lied von einer historischen Ballade zu einem tagesaktuellen Politikum geworden ist. Die hohe Platzierung in der SWR-Hitparade vor der Streichung beweist, dass das Lied nicht nur gesucht, sondern auch aktiv von einer großen Hörerschaft gewünscht wurde.

Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“ ist weit mehr als ein altes Liedermacher-Stück. Es ist ein Ausdruck weiter Teile der Bevölkerung gegen die Aufrüstungsorgie. Gerade deshalb ist dieses Lied so wichtig.

Dieser Artikel erschien erstmals am 26.10.2025. Das Artikelbild zeigt einen Ausschnitt aus Google Trends am 25.10.2025, zur Suche nach „Nein, meine Söhne geb‘ ich nicht“

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de