Sparen für den Rüstungswahn, Kitas zu Soldatenschmieden?

Die wenigsten Menschen zahlen gerne Steuern. Es ist eine unliebsame Pflicht, die jedoch auf einem fundamentalen gesellschaftlichen Konsens beruht: Wir geben einen Teil unseres erwirtschafteten Geldes an den Staat ab, und dieser erbringt im Gegenzug Leistungen, die für das Gemeinwesen essenziell sind. Er sorgt für die Sicherheit seiner Bürger, baut und erhält die Infrastruktur von Straßen bis Schulen, finanziert das Sozialsystem und ermöglicht ein funktionierendes Zusammenleben. Dieser Pakt, dieser Gesellschaftsvertrag, ist das Fundament moderner Staaten. Insbesondere für politisch links orientierte Menschen gilt daher das Zahlen von Steuern als Akt der Solidarität. Steuerhinterziehung, selbst im Kleinen wie bei Schwarzarbeit, wird als zutiefst unsozial und verwerflich angesehen. Doch was geschieht, wenn ein Teil dieses Paktes brüchig wird? Was, wenn ein immer größerer Teil der Steuereinnahmen für Zwecke verwendet wird, die von vielen nicht mehr als gemeinwohldienlich, sondern als gefährlich empfunden werden?

Die Zäsur: Fast die Hälfte des Haushalts für Rüstung?

Die aktuelle politische Debatte wird von der sogenannten „Zeitenwende“ dominiert. Im Zuge dessen wird eine massive Steigerung der Rüstungsausgaben nicht nur umgesetzt, sondern auch für die Zukunft anvisiert. Das oft genannte NATO-Ziel, 2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, ist dabei nur ein Zwischenschritt. Inzwischen steht die Erhöhung auf 5 % des BIP an.

Diese Zahl klingt abstrakt, doch ihre Implikation für den Bundeshaushalt ist eine finanzpolitische Revolution. Bezogen auf die aktuellen Zahlen (BIP ca. 4,2 Billionen Euro, Bundeshaushalt ca. 477 Milliarden Euro) würde ein Rüstungsetat von 5 % des BIP eine Summe von rund 210 Milliarden Euro bedeuten. Das entspräche etwa 44 % des gesamten Bundeshaushalts. Die Formulierung, dass dann „fast die Hälfte“ des Haushalts in Rüstung fließt, ist also keine Übertreibung, sondern eine realistische Projektion der politischen Forderungen. Fast jeder zweite Euro, der an Steuern gezahlt wird, würde dann für das Militär ausgegeben. Der mit Abstand größte Posten im Haushalt wäre nicht mehr Arbeit und Soziales, sondern die Verteidigung.

Genau hier setzt die Zerreißprobe für den alten Konsens an. Das Versprechen, dass mehr Geld für Rüstung automatisch zu mehr Sicherheit führt, darf bezweifelt werden. Eher ist zu befürchten, dass eine solche massive Aufrüstung eine Spirale des Wettrüstens befeuert und diplomatische Lösungen in den Hintergrund drängt. Anstatt die Sicherheit zu erhöhen, ist damit zu rechnen, dass diese diese Politik die Welt unsicherer machen und die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen steigern wird. Wenn Steuergelder also nicht mehr primär in Bildung, Brücken und soziale Sicherheit, sondern in Panzerhaubitzen und Kampfflugzeuge fließen, deren Einsatz brandgefährlich wäre, gerät die moralische Pflicht zum Steuerzahlen ins Wanken.

Das Einfallstor: Vom linken Projekt zur staatlichen Indoktrination

Der Pakt mit dem Staat hat aber noch eine tiefere Dimension, die weit über finanzielle Aspekte hinausgeht. Er betrifft die Prägung der nächsten Generation. Jahrzehntelang war der massive Ausbau von Kindertagesstätten und Ganztagsschulen ein zentrales, linkes und progressives Projekt. Die Ziele waren ehrenwert und richtig: Bildungsungerechtigkeit bekämpfen, Chancengleichheit für Kinder aus allen Schichten schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, insbesondere für Frauen, ermöglichen. Der Staat sollte als Partner der Familien fungieren und dort unterstützen, wo private Mittel oder Zeitressourcen fehlten. Doch in diesem gut gemeinten Bestreben wurde eine Tür aufgestoßen, deren Kehrseite nun sichtbar wird.

Indem wir dem Staat immer mehr Erziehungszeit und -verantwortung übertragen, geben wir ihm auch einen immer direkteren Zugriff auf die Köpfe und Herzen unserer Kinder. Solange der staatliche Konsens auf Frieden, ziviler Konfliktlösung und internationaler Verständigung beruhte, schien dies unproblematisch. Doch was geschieht, wenn sich dieser Konsens verschiebt? Jetzt, wo Begriffe wie „Kriegstüchtigkeit“ salonfähig werden und eine militärische Logik das politische Denken zu dominiert? Nun werden genau jene Institutionen, die wir zur Förderung von Emanzipation und Bildung geschaffen haben, zu potenziellen Einfallstoren für staatliche Propaganda.

Die neue Front im Kinderzimmer: Militarisierung statt Pazifismus

Die Gefahr ist konkret: Wir stehen vor dem Dilemma, dass der Staat so weit in die private Erziehung eingreift, dass er pazifistische Grundhaltungen bereits im Kleinkindalter bekämpfen kann. Die Normalisierung des Militärischen beginnt schleichend. Jugendoffiziere halten Vorträge in Schulen, Rüstungskonzerne präsentieren sich als attraktive Arbeitgeber auf Jobmessen, und in den Lehrplänen wird die Notwendigkeit einer starken Armee als alternativlos dargestellt. Der früh eingeimpfte Militarismus verdrängt eine Kultur des Friedens. Die kritische Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt wird durch eine Rhetorik der „notwendigen Verteidigung“ und der „nationalen Interessen“ ersetzt. Die einst als Schutzräume gedachten Kitas und Schulen werden zu Orten, an denen Kinder nicht zu mündigen, friedliebenden Bürgern, sondern zu folgsamen Verteidigern einer als alternativlos dargestellten Politik erzogen werden. Das linke Projekt, den Staat als Erziehungshelfer zu nutzen, erweist sich nun als trojanisches Pferd, dass nun eine militaristische Ideologie direkt in die Familien trägt.

Das Dilemma der Mandatsträger: Ein perverser Anreiz entsteht

Diese Verschiebung hat nicht nur philosophische, sondern auch ganz praktische Konsequenzen, die bis in die kleinste kommunale Einheit hineinreichen. Mandatsträger auf allen Ebenen – ob im Gemeinderat, im Landtag oder im Bundestag – sind dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Ihre Aufgabe ist es, sorgsam mit den anvertrauten Steuergeldern umzugehen.

Doch die aktuelle Haushaltspolitik des Bundes schafft hier einen perversen Anreiz. Stellen wir uns einen engagierten Kommunalpolitiker vor: Er ringt im Stadtrat um jeden Euro. Soll die marode Brücke saniert, ein neuer Spielplatz gebaut oder die örtliche Bibliothek unterstützt werden? Jede Entscheidung wird unter dem Aspekt der Sparsamkeit abgewogen. Doch was passiert mit dem Geld, das auf kommunaler Ebene durch Verzicht und harte Verhandlungen eingespart wird? Es fließt nicht automatisch in einen anderen sozialen Topf. Stattdessen entlastet es, wenn auch über Umwege, den Gesamthaushalt – und schafft damit letztendlich an anderer Stelle, nämlich im Bundeshaushalt, Spielräume.

In der aktuellen Lage bedeutet das: Jeder Euro, der in einer Kommune für ein soziales Projekt nicht ausgegeben wird, wird am Ende ein Euro mehr für Rüstung sein. Die Motivation, sich lokal für Sparsamkeit einzusetzen, dürfte unter diesen Vorzeichen drastisch sinken. Warum soll man sich vor Ort für sparsame Haushaltsführung zerreiben, wenn man damit indirekt die Anschaffung neuer Munitionspakete mitfinanziert? Die Frage, die sich viele stellen dürften, lautet: Ist es nicht moralisch vertretbarer, das Geld in ein vielleicht nicht perfekt geplantes, aber friedliches lokales Projekt zu riskieren, anstatt es dem Bund für den Kauf eines Panzers zu überlassen, der am Ende Menschen tötet und die globale Sicherheitslage weiter destabilisiert?

Die Folgen: Erosion von Motivation und Vertrauen

Diese Entwicklung ist mehr als eine theoretische Überlegung. Wenn tausende politische Entscheidungsträger im Land – Bürgermeister, Landräte, Abgeordnete – auch nur einen Bruchteil ihrer Motivation zur Haushaltsdisziplin verlieren, summiert sich der Effekt zu einem erheblichen Betrag. Es droht eine schleichende Erosion der Verantwortungsethik. Das Ergebnis wäre nicht zwangsläufig Korruption, sondern ein wachsender Zynismus und eine „Dienst-nach-Vorschrift“-Mentalität, die zu Ineffizienz und Verschwendung führt – aus einem Gefühl der Resignation heraus.

Auf gesellschaftlicher Ebene ist der Schaden noch größer. Wenn Bürger das Gefühl bekommen, dass der Staat ihre Steuergelder gegen ihre fundamentalen Überzeugungen und Sicherheitsinteressen verwendet, bricht der eingangs beschriebene Pakt. Das Vertrauen in die staatlichen Institutionen schwindet, und die Bereitschaft zur Solidarität nimmt ab.

Eine Frage der Prioritäten

Die Debatte über die Militarisierung ist elementar. Sie berührt den Kern unseres Staatsverständnisses und die moralischen Grundlagen unserer Gesellschaft. Das Vertrauen in den Staat ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn ein wesentlicher Teil des Geldes in einen Sektor fließt, der als Motor für eine zukünftige Katastrophe dient.

Dieser Artikel wurde erstmals am 04.10.2025 veröffentlicht. Das Beitragsbild ist ein Beispielbild, es wurde von Grok 2 generiert.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de