Wer in der Politik wirklich etwas verändern will, braucht vor allem eines: Macht. Diese Erkenntnis ist so banal wie fundamental. Ohne Einfluss, ohne Mehrheiten und ohne strategische Positionen bleiben die besten Ideen nur wohlklingende Wünsche. Der Wettstreit um Macht – das Ringen um Posten, Einfluss und Deutungshoheit – ist daher kein schmutziges Geheimnis, sondern ein systemimmanenter und bis zu einem gewissen Grad notwendiger Bestandteil des politischen Geschäfts.
Doch was passiert, wenn dieses Ringen zum Selbstzweck wird? Wenn die Energie der Akteure nicht mehr primär in die Umsetzung politischer Ziele, sondern in den Erhalt und Ausbau der eigenen Stellung fließt?
Wenn das System sich selbst beschäftigt
Aus meiner 20-jährigen Erfahrung in der Politik, unter anderem als Mitarbeiter für verschiedene Bundestagsabgeordnete, kann ich sagen: Dieser Kipppunkt wird in vielen Parteien regelmäßig erreicht. Die Energie, die in interne Machtkämpfe investiert wird, übersteigt oft bei Weitem die Kraft, die für die eigentliche politische Auseinandersetzung mit dem Gegner bleibt. Der Fokus verschiebt sich vom kollektiven Projekt zum individuellen Machterhalt.
Dabei entwickelt sich eine fatale Eigendynamik. Um die eigene Position zu festigen, wird der Kampf gegen innerparteiliche Konkurrenten oft erbitterter geführt als der gegen den politischen Mitbewerber. Man legitimiert dieses Vorgehen mit einer vermeintlichen ideologischen Reinheit: Nur man selbst vertrete die „wahre Lehre“ zu 100 %. Alle anderen sind Abweichler, deren Einfluss es zu verhindern gilt – selbst wenn dabei das gemeinsame Projekt, die Partei als Ganzes, schweren Schaden nimmt.
Die Motive hinter der Fassade
Die Gründe dafür sind so menschlich wie vielfältig. Politik ist eben nicht nur der hehre Wunsch, die Gesellschaft zu gestalten. Für einige ist sie schlicht der Lebensunterhalt, für andere der alleinige Lebensinhalt. Manche genießen das Rampenlicht, andere den Einfluss hinter den Kulissen – oft völlig losgelöst von den Zielen, die sie vorgeben zu vertreten. Ich würde sogar behaupten, dass eine Mischung dieser Facetten auf die Mehrzahl der politisch Aktiven zutrifft, und zwar quer durch alle Parteien.
Eine Analyse mit dem Titel „Die Politik als Droge: Eine Analyse des Suchtpotenzials von Macht, Geltung und Wettbewerb“
Die mit KI erstellte Analyse argumentiert, dass politische Aktivität das Potenzial für eine schwere Verhaltenssucht hat. Die Analyse beginnt mit der Erklärung, dass Sucht über Substanzen hinausgeht und durch die Aktivierung des Dopamin-Belohnungssystems im Gehirn, dem sogenannten mesolimbischen Pfad, verursacht wird, wobei die Neurobiologie von Substanz- und Verhaltenssüchten im Grunde identisch ist. Sie identifiziert drei spezifische suchterzeugende Mechanismen in der Politik: die neurochemische Belohnung durch öffentliche Bestätigung und Applaus, die intoxizierende Wirkung von Machtausübung sowie den Dopamin-Kick, der durch den ständigen politischen Wettbewerb und Sieg ausgelöst wird. Das Dokument stellt eine direkte Verbindung zwischen den diagnostischen Kriterien für Verhaltenssucht und dem Hybris-Syndrom her, einer erworbenen Persönlichkeitsstörung bei Machthabern. Abschließend wird betont, dass die politischen Mechanismen und die Anziehungskraft auf Personen mit Merkmalen der „Dunklen Triade“ ein Umfeld schaffen, das zwanghaftes, irrationales Handeln fördert und somit die demokratische Gesundheit gefährdet.
Dieser Umstand führt zu einer immer größer werdenden Schere zwischen dem, was die Basis will, und dem, was die Führung tut. Je höher man die Hierarchieleiter erklimmt, desto mehr Kompromisse und Bündnisse sind nötig, um die eigene Macht zu sichern. Die ursprünglichen Ziele, die vielleicht einmal der Antrieb für die politische Karriere waren, werden aufgeweicht, verschoben oder manchmal sogar ins komplette Gegenteil verkehrt. Am Ende gibt es Parteien, bei denen die öffentlich proklamierten Ziele mit der tatsächlich verfolgten Politik nicht mehr das Geringste zu tun haben.
Was bedeutet das für die Wähler? Ein Leitfaden für mündige Bürger
Für Wählerinnen und Wähler ist die Konsequenz ernüchternd, aber klar: Man kann sich nicht auf das verlassen, was auf der Verpackung steht. Wahlprogramme, Hochglanzbroschüren und medienwirksame Ankündigungen sind oft reines Marketing. Entscheidend ist einzig und allein, was in der Packung drin ist.
Um das herauszufinden, bleibt nur der Blick auf die Fakten:
- Wie stimmen Parteien und Abgeordnete ab? Das Abstimmungsverhalten bei konkreten Gesetzen ist der ehrlichste Gradmesser für die tatsächliche politische Linie.
- Welche Anträge und Gesetzesinitiativen bringen sie ein? Daran lässt sich ablesen, welche Themen wirklich priorisiert werden, abseits der Sonntagsreden.
Wo findet man diese Informationen, wenn auch die Medien, wie du richtig sagst, oft selbst Teil des Machtspiels sind und Narrative anstelle von Fakten transportieren? Der einzig verlässliche Weg ist der direkte Blick an die Quelle.
- Die Webseite des Bundestages: Hier finden sich alle offiziellen Dokumente (
Drucksachen
), die Protokolle der Debatten (Plenarprotokolle
) und das exakte Abstimmungsverhalten der Fraktionen und einzelner Abgeordneter. Die Darstellung ist vonseiten der Verwaltung um maximale Objektivität bemüht. - Die Webseiten der Fraktionen: Hier veröffentlichen die Fraktionen ihre Anträge, Positionspapiere und Pressemitteilungen im Original.
Sich dieses Bild selbst zu machen, ist aufwendig. Es erfordert Zeit und den Willen, sich durch teils trockene Materie zu arbeiten. Aber es ist der einzige Weg, um dem Marketing zu entkommen und eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen, die auf Taten und nicht auf leeren Versprechungen beruht. Denn am Ende zählt nicht, was eine Partei sagt, dass sie tun will, sondern nur, was sie nachweislich tut.
Dieser Artikel erschien erstmals am 04.10.2025. Das Beitragsbild ist ein Beispielbild von Julia Kaufmann auf Pixabay.
Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de