Fehlbare Wissenschaft

Immer wieder gehen Diskussionen von einer unfehlbaren Wissenschaft aus. Das ist schon per Definition falsch, denn Wissenschaft soll ja erst noch Wissen schaffen. Das hierbei große Fortschritte erzielt wurden, heißt nicht, dass auf dem Weg dahin nicht fatale Fehler gemacht wurden.

Hier ist eine Liste von Beispielen, bei denen Wissenschaftler sich sicher waren, dass sie recht hatten, sich das aber später als falsch herausstellte, in manchen Fällen liegt der Verdacht nahe, dass dabei auch Geld im Spiel war:

  1. Spinat und Eisen: In den 1930er Jahren wurde angenommen, dass Spinat sehr viel Eisen enthält, was sich später als falsch herausstellte. Die Geschichte von Spinat und Eisen geht auf eine fehlerhafte Berechnung des Eisengehalts in Spinat zurück. Im Jahr 1870 entdeckte der deutsche Chemiker Erich von Wolff, dass Spinat viel Eisen enthält. Aufgrund dieser Entdeckung wurde Spinat als besonders gesundes Lebensmittel beworben und seine Popularität stieg rapide an. Allerdings enthielten Wolffs Daten einen Fehler: er hatte den Eisengehalt von Spinat pro 100 Gramm berechnet, jedoch nicht berücksichtigt, dass Spinat auch viel Wasser enthält. Tatsächlich enthält Spinat viel weniger Eisen als damals angenommen. Dieser Fehler wurde erst im Jahr 1937 von dem US-amerikanischen Ernährungswissenschaftler William H. Beal entdeckt und korrigiert. Obwohl der Mythos von Spinat als besonders eisenreiches Lebensmittel widerlegt wurde, hat er sich bis heute gehalten und wird oft als Symbol für falsche Informationen und Halbwahrheiten verwendet.
  2. Lobotomie: Die Lobotomie, auch bekannt als „frontale Leukotomie“, war eine chirurgische Methode, die in den 1930er und 1940er Jahren zur Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen angewendet wurde. Der Eingriff bestand darin, gezielt Verbindungen im präfrontalen Cortex des Gehirns zu durchtrennen oder zu entfernen, um das Verhalten und die Emotionen des Patienten zu beeinflussen. Die Lobotomie wurde von dem portugiesischen Neurologen António Egas Moniz entwickelt und in den USA von dem Neurologen Walter Freeman populär gemacht. Freeman entwickelte später eine schnellere Methode, die als „Eispickel-Lobotomie“ bekannt wurde, bei der er das Instrument durch das Auge in den Schädel des Patienten einführte. Obwohl die Lobotomie anfangs als vielversprechende Behandlungsmethode angesehen wurde, stellte sich später heraus, dass sie schwere Nebenwirkungen und Komplikationen wie Persönlichkeitsveränderungen, Gedächtnisverlust und sogar Tod verursachen konnte. In den 1950er Jahren wurden Medikamente wie Antipsychotika und Antidepressiva eingeführt, die als sicherere und wirksamere Alternativen zur Lobotomie betrachtet wurden. Die Lobotomie wird heute als barbarische und inhumane Praxis angesehen und wird nicht mehr angewendet.
  3. Asbest: Bis in den 1970er Jahren wurde Asbest als Baumaterial verwendet, dabei wurden die schädlichen Auswirkungen von Asbest erstmals in den 1920er Jahren dokumentiert. Später in den 1960er Jahren wurde Asbest von mehreren Ländern, einschließlich den USA, als krebserregend anerkannt.
  4. Rauchen: In den 1950er Jahren wurde der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs entdeckt, obwohl die Tabakindustrie versuchte, diese Erkenntnisse zu leugnen oder zu verschleiern. Die schädlichen Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit wurden bereits in den 1950er Jahren wissenschaftlich nachgewiesen. Doch die Tabakindustrie leugnete und vertuschte diese Erkenntnisse über Jahrzehnte hinweg, um den Verkauf ihrer Produkte nicht zu gefährden. Stattdessen finanzierte sie Forschung, die Zweifel an der Verbindung zwischen Rauchen und Lungenkrebs wecken sollte. Bereits in den 1930er Jahren gab es wissenschaftliche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs. Doch die Tabakindustrie betrieb gezielte Desinformationskampagnen, um Zweifel an diesen Erkenntnissen zu säen. So beauftragte beispielsweise die Tabakfirma Philip Morris in den 1950er Jahren den Wissenschaftler Clarence Little, der in einer Studie keinen Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs fand. Dieses Ergebnis wurde von der Tabakindustrie für ihre Zwecke genutzt und in der Öffentlichkeit verbreitet. Erst in den 1990er Jahren wurden die Machenschaften der Tabakindustrie aufgedeckt. So veröffentlichte die US-amerikanische Food and Drug Administration im Jahr 1994 eine Liste von über 5000 Chemikalien in Zigaretten, von denen viele krebserregend sind. In der Folge wurden zahlreiche Klagen gegen Tabakfirmen eingereicht, die schließlich zu hohen Strafzahlungen und einer strengeren Regulierung der Tabakindustrie führten. Inzwischen gilt der Zusammenhang zwischen Rauchen und Lungenkrebs als wissenschaftlich gesichert. Lungenkrebs ist nach wie vor eine der häufigsten Krebsarten weltweit und wird oft durch Rauchen verursacht.
  5. Ölkonzerne und Klimakrise: Seit den 1970er Jahren gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der Verbrennung fossiler Brennstoffe und dem Klimawandel, obwohl einige Ölkonzerne versuchten, diese Erkenntnisse zu leugnen oder zu verschleiern. Die wissenschaftliche Untersuchung des Zusammenhangs zwischen fossilen Brennstoffen und dem Klimawandel begann in den 1950er Jahren mit der Arbeit von Wissenschaftlern wie Charles Keeling, der die kontinuierliche Kohlenstoffdioxidmessungen am Mauna Loa in Hawaii durchführte. In den 1970er Jahren warnten Wissenschaftler vor den möglichen Auswirkungen des Klimawandels und forderten Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen. In den 1980er Jahren wurde der Zusammenhang zwischen fossilen Brennstoffen und dem Klimawandel durch wissenschaftliche Studien weiter bestätigt. Eine bedeutende Studie in diesem Bereich war der Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) im Jahr 1988, der zum ersten Mal den wissenschaftlichen Konsens über den Zusammenhang zwischen menschlichen Aktivitäten und dem Klimawandel dokumentierte. In den folgenden Jahrzehnten wurden immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse zum Klimawandel gewonnen und die Zusammenhänge zwischen Treibhausgasemissionen, Erderwärmung und menschlichen Aktivitäten wurden immer deutlicher. Es gibt heute einen breiten wissenschaftlichen Konsens über die Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels. Es ist bekannt, dass einige Ölkonzerne in der Vergangenheit die Forschung zum Klimawandel finanziell beeinflusst haben, um Zweifel an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu säen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist ExxonMobil, das Berichten zufolge Millionen von Dollar für Klimaforschung ausgegeben hat, während es gleichzeitig öffentlich Zweifel an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel säte.
  6. Magengeschwüre: In den 1980er Jahren wurde angenommen, dass Magengeschwüre durch Stress und ungesunde Ernährung verursacht werden. Allerdings entdeckte der australische Arzt Barry Marshall später, dass das Bakterium Helicobacter pylori für die Entstehung von Magengeschwüren verantwortlich ist. Zunächst wurde seine Entdeckung von vielen Medizinern und Forschern nicht ernst genommen oder sogar belächelt. Erst nachdem er sich selbst mit dem Bakterium infiziert und anschließend geheilt hatte, wurde seine Entdeckung allmählich anerkannt. Barry Marshall erhielt im Jahr 2005 den Nobelpreis für Medizin für seine Entdeckung.
  7. Eugenik: Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert glaubten viele Wissenschaftler, dass bestimmte Eigenschaften, wie Intelligenz und moralische Fähigkeiten, auf genetische Vererbung zurückzuführen waren. Diese Theorie, die als Eugenik bekannt ist, führte zu vielen schrecklichen Praktiken, einschließlich Zwangssterilisation und der Tötung von Menschen mit Behinderungen. Später stellte sich heraus, dass die Theorie falsch war und dass Intelligenz und moralische Fähigkeiten durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst werden.
  8. Ernährungspyramide: In den 1980er Jahren wurde die Ernährungspyramide als Leitfaden für eine gesunde Ernährung eingeführt, obwohl später entdeckt wurde, dass einige Aspekte (z.B. die Empfehlung, Kohlenhydrate im Übermaß zu essen) ungesund sein können.
  9. Krebsbehandlung: In den 1970er Jahren wurde angenommen, dass die aggressive Chemotherapie die beste Methode zur Behandlung von Krebs sei, obwohl später entdeckt wurde, dass sie auch gesunde Zellen im Körper angreifen kann.
  10. Geozentrisches Weltbild: Im antiken Griechenland und im Mittelalter glaubten Wissenschaftler und Philosophen, dass die Erde das Zentrum des Universums war und dass alle anderen Himmelskörper um sie herum kreisten. Dieses geozentrische Weltbild wurde für Jahrhunderte akzeptiert, bis der polnische Astronom Nikolaus Kopernikus im 16. Jahrhundert die heliozentrische Theorie vorschlug, die besagte, dass die Sonne im Mittelpunkt des Universums stand.
  11. Phlogiston-Theorie: Im 17. und 18. Jahrhundert glaubten Chemiker, dass alle brennbaren Stoffe Phlogiston enthielten, eine Art Element oder Substanz, die bei der Verbrennung freigesetzt wurde. Diese Theorie wurde für Jahrzehnte akzeptiert, bis der französische Chemiker Antoine Lavoisier entdeckte, dass bei der Verbrennung Sauerstoff freigesetzt wird.
  12. Lamarckismus: Im 19. Jahrhundert glaubten viele Biologen, dass die Eigenschaften von Organismen sich im Laufe der Zeit durch Vererbung von den Eltern auf die Nachkommen entwickeln. Diese Theorie, die als Lamarckismus bekannt ist, wurde für Jahrzehnte akzeptiert, bis Charles Darwin die Theorie der natürlichen Auslese vorstellte, die besagt, dass sich Eigenschaften von Organismen aufgrund von Mutationen und zufälligen genetischen Veränderungen entwickeln.
  13. Zuckerindustrie: In den 1960er Jahren finanzierte die Zuckerindustrie Forschung, die behauptete, dass Fett für Herzkrankheiten verantwortlich sei, während Zucker keine Rolle spiele. Einige argumentieren, dass diese Forschung den Fokus von Zucker weglenkte und dazu beitrug, dass der Zusammenhang zwischen Zucker und Fettleibigkeit nicht erkannt wurde.
  14. Fast-Food-Industrie: Im Jahr 2010 finanzierte die Fast-Food-Kette Taco Bell eine Studie, die behauptete, dass ihr Fleisch zu 88% aus Rindfleisch und zu 12% aus Sojaprotein bestünde. Später wurde jedoch herausgefunden, dass das Fleisch nur zu 36% aus Rindfleisch bestand.
  15. Vioxx: Das Schmerzmittel Vioxx wurde in den 1990er Jahren als sicher und wirksam angepriesen. Vioxx war ein Schmerzmittel, das zur Gruppe der COX-2-Hemmer gehört und von dem Pharmaunternehmen Merck & Co. entwickelt und vermarktet wurde. Es wurde zur Behandlung von Schmerzen, Entzündungen und Arthritis eingesetzt und galt als eine der meistverkauften Medikamente seiner Art. Allerdings wurde das Medikament im Jahr 2004 aufgrund von schwerwiegenden Sicherheitsbedenken vom Markt genommen. Studien hatten gezeigt, dass Vioxx mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle verbunden war. Die Ergebnisse der Studien hatten ergeben, dass Patienten, die Vioxx einnahmen, ein fast doppelt so hohes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten wie diejenigen, die ein Placebo einnahmen. Die Entscheidung, Vioxx vom Markt zu nehmen, hatte weitreichende Auswirkungen auf die Pharmaindustrie und löste eine öffentliche Debatte über die Sicherheit von Medikamenten aus. Merck & Co. wurde später zu einer Strafe von 4,85 Milliarden US-Dollar verurteilt, nachdem es festgestellt wurde, dass das Unternehmen das Ausmaß der Risiken von Vioxx vertuscht hatte.
  16. Bisphenol A (BPA): Bisphenol A wurde in den 1950er Jahren als sicherer Kunststoff eingeführt, der in vielen Produkten wie Plastikflaschen und Dosen verwendet wurde. Später wurde jedoch entdeckt, dass BPA hormonelle Störungen verursachen kann.
  17. Glyphosat: Die Firma Monsanto hat im Laufe der Jahre zahlreiche Studien finanziert, die die Sicherheit von Glyphosat, einem weit verbreiteten Unkrautvernichtungsmittel, belegen sollten. Im Jahr 2015 wurde die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) jedoch zu dem Schluss gekommen, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“ ist. Die Studien, die Monsanto finanziert hatte, wurden von einigen als unabhängig und von anderen als verzerrt und unethisch kritisiert.

Es sind nahezu alle Wirtschaftsbereiche betroffen, Beispiele sind:

Brennstoffindustrie: Es gibt Hinweise darauf, dass einige Unternehmen aus der fossilen Brennstoffindustrie Wissenschaftler finanziert haben, um Zweifel an der Existenz des Klimawandels zu säen oder den Zusammenhang zwischen fossilen Brennstoffen und dem Klimawandel zu leugnen.

Lebensmittelindustrie: Es gibt Hinweise darauf, dass die Lebensmittelindustrie Wissenschaftler und Forscher finanziert hat, um bestimmte Lebensmittel und Getränke als gesünder darzustellen, als sie tatsächlich sind.

Medikamentenindustrie: Es gibt Hinweise darauf, dass die Medikamentenindustrie Wissenschaftler und Forscher finanziert hat, um bestimmte Medikamente als sicher und wirksam darzustellen, obwohl sie tatsächlich Nebenwirkungen haben oder nicht wirksam sind.

Umweltverschmutzung: Es gibt Hinweise darauf, dass Unternehmen, die Umweltverschmutzung verursachen, Wissenschaftler finanziert haben, um Zweifel an der schädlichen Wirkung von Umweltverschmutzung auf die Gesundheit zu säen oder um Gesetze und Vorschriften zur Reduzierung von Umweltverschmutzung zu verhindern oder zu schwächen.

Diese Beispiele zeigen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht immer absolut sind und dass sich Meinungen und Erkenntnisse im Laufe der Zeit ändern können. Wissenschaftliche Theorien sollten daher immer wieder hinterfragt und überprüft werden. Diese Beispiele bedeuten nicht, dass alle Wissenschaftler korrupt sind oder dass alle Forschungsergebnisse in Frage gestellt werden sollten. Vielmehr zeigen sie, dass Wissenschaft nicht immer unabhängig und unvoreingenommen ist und dass es wichtig ist, kritisch zu hinterfragen und verschiedene Quellen zu prüfen, um ein umfassendes Bild zu erhalten.

Quellen:

  • BBC News: „The great spinach panic“
  • National Geographic: „Lobotomy: A Dangerous Fad’s Lingering Effect“
  • Environmental Working Group: „Asbestos: Still Legal and Lethal“
  • The Guardian: „Tobacco industry knew smoking caused cancer 50 years ago“
  • The New York Times: „How the Sugar Industry Shifted Blame to Fat“
  • InsideClimate News: „Exxon: The Road Not Taken“
  • ABC News: „Taco Bell’s Meat Lawsuit: What’s Really In The Beef?“
  • The Washington Post: „Inflammation, not acid, cause of GERD, study shows“
  • The New York Times: „Study Shows Vioxx Risk Was Known Early On“
  • Environmental Health News: „Bisphenol A (BPA) – Environmental Health“
  • The Guardian: „Revealed: Monsanto predicted crop system would damage US farms“

Das Bild zum Artikel ist ein Beispielbild von Arek Socha auf Pixabay.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de