Personenkult oder politische Polemik? – Die ambivalente Faszination um Sahra Wagenknecht

Es wird oft behauptet, es gäbe einen Personenkult um Sahra Wagenknecht. Und tatsächlich, leugnen lässt sich nicht, dass die Politikerin vielen nicht nur aus dem Herzen spricht, sondern von manchen auch in den Himmel gehoben wird. Andererseits ist das ein Phänomen, welches bei vielen Prominenten zu erkennen ist; es scheint eine Form der Fankultur zu sein. Interessanter ist jedoch, dass auch Gegner Wagenknechts einen Personenkult um sie betreiben. Manche scheinen ihre eigene Bedeutung nur aus der Prominenz ihrer Gegnerin zu beziehen. Klar ist, wenn Schlagzeilen einen Bezug zu Wagenknecht aufweisen, werden die entsprechenden Artikel viel häufiger gelesen, als ohne diesen Bezug. Sie ist also ein Quoten- oder Lesergarant.

Doch das erklärt nicht alleine, dass jemand wie Thies Gleis, Mitbegründer der AKL (Antikapitalistische Linke) in der Partei DIE LINKE, immer wieder betont, Sahra sei ja neben ihm Gründungsmitglied der AKL gewesen. Oft klingen seine Äußerungen mehr wie die eines verschmähten Liebhabers und weniger wie die eines verhinderten Politikers. Das ändert auch der intellektuelle Habitus nicht, in dem er versucht, seine Texte zu kleiden. Edith Bartelmus-Scholich, kennen wie Thies Gleis wohl nur eingefleischte Linke aus NRW. Sie würde im politischen Raum wahrscheinlich überhaupt niemand kennen, wenn sie nicht als unerbittliche Kritikerin von Sahra Wagenknecht immer wieder in Erscheinung träte. Ohne diese Art von Personenkult wäre ihre Webseite scharf-links.de wahrscheinlich schon lange in Vergessenheit geraten. Oft macht sie den Eindruck eines Schulkindes, welches sich mit „Ich weiß was, ich weiß was“ an den Lehrer wendet, um die Kameradin zu verpetzen.

Am Ende nutzen diese Kritiker Wagenknecht aber sogar. Denn gerade die Kontroversen bringen ihre Themen immer wieder in die Diskussion. Es dürfte daher Teil ihrer Prominenz und auch ihrer Beliebtheit sein, dass auch ihre Gegner mehr noch als ihre Unterstützer einen Personenkult um sie betreiben.

Die Frage, ob der Personenkult um Sahra Wagenknecht mehr von ihren Gegnern als von ihren Unterstützern getragen wird, wirft ein interessantes Licht auf die Dynamik politischer Diskurse. Kann es sein, dass die ständige Kritik und die Herausstellung von Differenzen seitens ihrer Gegner die Aura um Wagenknecht verstärken und sie in den Augen der Öffentlichkeit zu einer zentraleren Figur machen?

Wagenknechts Unterstützer schätzen sie für ihre klaren Standpunkte und ihre Unbeugsamkeit, doch die kontinuierliche Opposition gegen ihre Ansichten könnte paradoxerweise ihre Präsenz und Bedeutung im politischen Diskurs erhöhen. Jede Kritik, jeder Widerspruch bringt ihren Namen erneut in die Schlagzeilen und auf die Tagesordnung, was ihre Sichtbarkeit und ihren Einfluss weiter festigt.

Dies könnte ein Beispiel für das Phänomen sein, dass Gegner, in dem Bemühen, eine politische Figur zu diskreditieren oder ihre Ansichten zu untergraben, ungewollt zu ihrer Popularität und ihrem Kultstatus beitragen. Dabei wird der politische Diskurs oft auf eine persönliche Ebene gezogen, was die Auseinandersetzung mit den eigentlichen politischen Inhalten und Ideologien überlagern kann.

Ein weiterer Punkt ist die scheinbare Doppelmoral in der Kritik an Wagenknecht. Wenn sie eine Äußerung tätigt, die nicht vom Parteiprogramm gedeckt ist, wird dies oft skandalisiert, während anderen Akteuren ähnliche Abweichungen durchgehen gelassen werden. So könnte der sogenannte Personenkult um Sahra Wagenknecht tatsächlich ein Spiegelbild der polarisierten politischen Landschaft sein, in der sie wirkt, und die unterschiedlichen Maßstäbe, die in der politischen Kritik angelegt werden, offenbaren.

Das Bild zum Artikel ist ein Bild von Elmer L. Geissler auf Pixabay

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de