Der große Bluff: Wie der Datenschutz zum Machtinstrument wurde

Wir haben Datenschutzbeauftragte in jeder Behörde, in fast jeder Firma, ja fast überall. Und doch hatten wir nie so wenig echten Datenschutz wie heute. Ich behaupte: Der Datenschutz, wie er heute in Deutschland praktiziert wird, ist zu einem Schutz der Eliten vor dem Bürger verkommen. Er ist ein Machtinstrument, das die Privilegierten abschirmt und den normalen Bürger immer gläserner macht.

Klingt provokant? Schauen wir uns die Fakten an.

Das Ende der Anonymität: Der beste Datenschutz wird abgeschafft

Der beste und effektivste Datenschutz war schon immer die Anonymität. Doch genau diese wird systematisch abgebaut. Erinnerst du dich? Vor wenigen Jahren konntest du an jeder Ecke eine Prepaid-SIM-Karte für dein Handy kaufen. Bar bezahlt, anonym. Heute? Undenkbar. Seit 2017 ist eine Identifizierung mit Personalausweis Pflicht. Offiziell zur Terrorbekämpfung, in der Praxis ein weiterer Schritt zur lückenlosen Erfassung.

Das gleiche Muster sehen wir beim Bargeld. Bar zu bezahlen ist gelebter Datenschutz. Niemand außer dem Händler und dir weiß, was du wann und wo gekauft hast. Doch die Rufe nach einer Bargeldobergrenze oder gar einer kompletten Abschaffung werden lauter. Die Begründungen sind immer dieselben: Kampf gegen Geldwäsche, organisierte Kriminalität und Terrorismus. Doch waren diese Phänomene wirklich geringer, als man noch Autos, teuren Schmuck oder sogar Immobilien bar bezahlen konnte? Es sind vorgeschobene Gründe, um das letzte freiheitliche Zahlungsmittel auszutrocknen. Wer bar zahlt, ist verdächtig. Wer digital zahlt, ist transparent.

Der Staat sieht alles – aber nur, was er sehen will

Gleichzeitig weitet der Staat seine eigenen Befugnisse massiv aus und bricht dabei regelmäßig gegebene Versprechen.

  • Die LKW-Maut: Als die Maut eingeführt wurde, hieß es, die Daten würden ausschließlich zur Abrechnung der Mautgebühren verwendet. Ein heiliges Versprechen. Dann kam ein Serienmörder, und man machte eine Ausnahme, um ihn zu fassen. Das war erfolgreich. Doch seitdem ist der Damm gebrochen. Die Hürden zur Nutzung dieser Bewegungsdaten wurden immer weiter gesenkt. Heute dürfen die Mautdaten laut § 4 Abs. 3 des Bundesfernstraßenmautgesetzes für die Verfolgung einer langen Liste von Straftaten genutzt werden – weit über Mord und Terrorismus hinaus.
  • Der Staatstrojaner: Der Staat kauft nicht nur Sicherheitslücken von Kriminellen, um eigene Trojaner auf den Computern und Handys von Verdächtigen zu installieren. Er nimmt dabei billigend in Kauf, riesige Datenmengen von völlig unbeteiligten Personen abzuschöpfen. Es findet sich immer ein willfähriger Ermittlungsbeamter, der im Fernsehen erklärt, dass man mit noch mehr Überwachung die „Bösen“ endlich fassen könnte.
  • „Versehentlich“ gespeicherte Daten: Im Fall des Mordes am Modedesigner Rudolph Moshammer wurde der Täter überführt, weil seine Fingerabdrücke noch in einer Polizeidatenbank gespeichert waren – obwohl sie nach geltendem Recht längst hätten gelöscht werden müssen. Im Einzelfall ein Ermittlungserfolg. Im Großen und Ganzen der Beweis, dass der Staat sich selbst nicht an die Regeln hält, die er für andere aufstellt.

Datenschutz als Mauer gegen den Bürger

Wenn der Bürger jedoch Informationen sucht oder seine eigenen Rechte wahrnehmen will, verwandelt sich der löchrige Datenschutz plötzlich in eine undurchdringbare Festung.

  • Die eigene Akte: Mir ist der Fall einer jungen Frau bekannt, die nach Erreichen der Volljährigkeit Einblick in ihre eigene Jugendamtsakte verlangte. Die Antwort war ein Schlag ins Gesicht: Aus „Datenschutzgründen“ wurde ihr der Einblick verwehrt. Der Schutz wessen Daten? Es war ihre eigene Akte! Ein absurderer Missbrauch des Datenschutzgedankens ist kaum vorstellbar.
  • Geheime Verträge mit der öffentlichen Hand: Trotz Informationsfreiheitsgesetzen wird es für Bürger immer schwerer, an Verträge zu kommen, die der Staat oder die Kommune mit Unternehmen schließt. Ob es um den Bau einer Turnhalle, die Sanierung einer Straße oder millionenschwere Public-Private-Partnership-Projekte geht: Immer wieder heißt es, „Geschäftsgeheimnisse“ stünden einer Veröffentlichung im Wege. Das ist eine Unverschämtheit. Die Bürger bezahlen diese Projekte mit ihren Steuern, haben aber kein Recht zu erfahren, was genau vereinbart wurde. Das ist kein Datenschutz, das ist Geheimniskrämerei zum Schutz von Politik und Konzernen.
  • Das schädliche Steuergeheimnis: In einem mir bekannten Fall konnte ein Unternehmen durch eine Sanierung einen rein bilanziellen Gewinn von fast einer Million Euro erzielen. Das Finanzministerium erließ dem Unternehmen die Steuer auf diesen Gewinn unter der Bedingung, dass die Arbeitsplätze erhalten blieben. Ein halbes Jahr später wurden alle Mitarbeiter entlassen. Der Betriebsrat wusste nichts von der Bedingung, denn sie unterlag dem Steuergeheimnis. Das Finanzministerium las die Lokalzeitung nicht und erfuhr es ebenfalls nicht. Die Sache ist heute verjährt. Hier hätte Transparenz einen massiven Betrug verhindern können.

Die heuchlerische Doppelmoral

Die Beispiele zeigen eine klare Linie: Datenschutz ist dehnbar – je nachdem, wer an die Daten will. Wenn die Staatsanwaltschaft ermittelt, ist er oft löchrig wie ein Schweizer Käse. Wie oft lesen wir von Hausdurchsuchungen bei mehr oder weniger prominenten Personen, bei denen die Presse schon vor der Polizei vor Ort ist? Informationen aus laufenden Verfahren werden durchgestochen. Erfolgreiche Ermittlungen wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen gegen die Verantwortlichen? Fehlanzeige.

Wenn aber ein ehemaliger Gesundheitsminister eine Villa kauft und die Bürger wissen wollen, ob der Preis und die Kreditkonditionen marktüblich waren, muss dies mühsam vor Gericht erstritten werden. Währenddessen muss jedes einfache Gemeinderatsmitglied wie du und ich damit rechnen, dass die Nachbarn und die Öffentlichkeit genau hinschauen, was es sich leistet – und das ist auch richtig so, um Korruption vorzubeugen.

Die Vertraulichkeit des Wortes – ein dehnbarer Begriff

Ein weiteres Paradebeispiel für diese Doppelmoral ist der Umgang mit der Vertraulichkeit des Wortes. Wer das nicht öffentlich gesprochene Wort eines anderen aufnimmt, macht sich strafbar. Soweit, so klar. Dennoch war es jahrelang gängige Praxis, dass Telefonhotlines von Banken und anderen Großkonzernen Gespräche „zu Qualitätszwecken“ aufzeichneten, oft ohne eine echte Möglichkeit zum Widerspruch. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, in dem ein Konzern dafür ernsthaft zur Rechenschaft gezogen wurde. Wenn aber Bürger Polizeieinsätze filmen, die in aller Öffentlichkeit stattfinden, wird ihnen plötzlich genau dieser Paragraf vorgehalten. Sie hätten das „nicht öffentlich gesprochene Wort“ der Beamten aufgenommen. Wieder wird ein Gesetz zum Schutz des Bürgers in ein Instrument gegen ihn verkehrt.

Fazit: Es geht um Macht, nicht um Schutz

Fassen wir zusammen: Die Anonymität des Bürgers wird abgeschafft. Seine Gesundheitsdaten, Bankdaten und Kommunikationsdaten sind für den Staat immer leichter zugänglich. Gleichzeitig werden die Handlungen des Staates, seiner Behörden und seiner Vertragspartner unter dem Deckmantel des Datenschutzes und der Geschäftsgeheimnisse verschleiert.

Der heutige Datenschutz schützt nicht den Bürger vor dem Staat, sondern den Staat und seine Eliten vor dem Bürger. Er ist ein Instrument zur Machtsicherung geworden.

Dieser Artikel wurde erstmals am 05.07.2025 veröffentlicht. Das Beitragsbild ist ein Beispielbild von succo auf Pixabay.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de