Der Traum von freier Meinungsäußerung: Wie X (ehemals Twitter) die Nutzer in die Schranken weist

Wer glaubt, dass X nach seiner Umstrukturierung weniger zensiere und mehr Freiheiten gewähre, der könnte sich gewaltig täuschen. Mit dieser Erfahrung wurde ich nun selbst konfrontiert – und es hinterlässt ein Gefühl von Hilflosigkeit und Wut. Als politisch engagierter Musiker teile ich auf X (@F_Kemper) regelmäßig meine Musikvideos, die gesellschaftliche und politische Themen kritisch beleuchten. Sie sind kostenlos, enthalten keinerlei Werbung, abgesehen von den durch YouTube eventuell eingespielten Anzeigen, und verfolgen keine kommerziellen Absichten. Doch das scheint der Plattform nicht zu gefallen.

„Beweise, dass du ein Mensch bist“

Der erste Schlag kam gestern: Plötzlich wurde mein Zugang eingeschränkt. Ich musste verschiedene Aufgaben erledigen, um zu „beweisen“, dass ich ein Mensch bin. Was den Verdacht ausgelöst haben könnte, dass ich kein Mensch sei, wurde mir nicht mitgeteilt. Vielleicht hätte ich das Recht auf eine Erklärung erwartet – doch Pustekuchen. Zähneknirschend erledigte ich die verlangten Schritte. Der Aufwand und die Demütigung waren ärgerlich, aber ich dachte mir, es sei besser, das Prozedere hinter mich zu bringen, um weiterhin meine Inhalte teilen zu können. Als Konsequenz setzte ich meinen Bezahlaccount zurück auf einen unbezahlten. Warum sollte ich auch noch Geld dafür zahlen, derart behandelt zu werden?

Besonders dreist war dabei: Solange ich nicht bewiesen hatte, dass ich ein Mensch bin, hatte ich keinen Zugang zu meiner Accountverwaltung. Zumindest war dieser Zugang für mich nicht ersichtlich. Das bedeutete, dass ich meinen Bezahlaccount in dieser Zeit nicht einmal kündigen konnte – ein Vorgang, der in seiner Absurdität kaum zu überbieten ist.

Die zweite Welle der Zensur: Eingeschränkte Reichweite

Heute dann der nächste Schlag ins Gesicht: Die Mitteilung, dass meine Reichweite künftig eingeschränkt wird, ließ keinen Zweifel daran, dass X keine Plattform für kritische Inhalte mehr ist. Ein Hinweis der Plattform sprach von „Spam“ und „Plattformmanipulation“. Dabei teilen meine Beiträge weder fragwürdige Links noch irgendetwas, was auch nur annähernd mit Spam vergleichbar wäre. Und was ist mit „Plattformmanipulation“ gemeint? Im Grunde jede Form von Interaktion. Jede Diskussion, jedes kritische Hinterfragen, jede Meinung manipuliert doch eine Plattform – genau das ist der Sinn sozialer Medien.

Dieser Begriff klingt, als sei er direkt dem dystopischen Handbuch aus 1984 entsprungen: diffus, bedrohlich und alles oder nichts sagend. Eine bewusste Strategie, um die Deutungshoheit zu behalten und jegliches Verhalten im Zweifel als Regelverstoß zu brandmarken. Auf Rückfragen, was denn konkret gegen die Regeln verstoßen haben soll, erhält man vermutlich nichtssagende Floskeln. Ich spare mir das.

Die Farce der Überprüfung

Mir wird eine Überprüfung meines Accounts angeboten, um die Beschränkungen eventuell aufheben zu lassen. Doch warum sollte ich diesen Weg gehen? Der Fall ist doch klar: Nicht ich habe etwas zu beweisen – die Plattform hat es längst nicht geschafft, ihre Versprechungen von Meinungsfreiheit und Transparenz einzulösen. Sie selbst hat die Überprüfung nicht bestanden.

Ein Rückzug aus der digitalen Öffentlichkeit

Für mich ist X damit unbrauchbar geworden. Was nützt es, wenn ich etwas poste, das ohnehin niemand mehr sieht? Dann kann ich meine Inhalte genauso gut auf einen Zettel schreiben und diesen an die eigene Klotür hängen. Die Plattform entzieht kritischen Stimmen die Sichtbarkeit – damit ist sie zumindest für mich unbrauchbar.

Was bleibt?

Ich hatte gehofft, dass X nach dem Besitzerwechsel ein kleiner Raum bleibt, in dem Zensur nicht so allgegenwärtig ist. Doch diese Hoffnung hat sich zerschlagen. Die Politik der Plattform zeigt, dass man offenbar keine kritischen oder unabhängigen Inhalte will. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass wir neue Wege finden müssen, unsere Stimmen zu erheben – abseits von Plattformen, die Freiheit nur vorgaukeln.

Hier der Originaltext der Zensoren, für alle, die sich selbst ein Bild machen möchten:


„Warum hat mein Account dieses Label?
Wir haben festgestellt, dass dein Account möglicherweise Spam enthält oder andere Arten der Plattformmanipulation betreibt. Du darfst die Dienste von X nicht auf eine Weise verwenden, die eine künstliche Verstärkung darstellt, Informationen unterdrückt oder Verhalten zeigen soll, das die Nutzung anderer Leute oder die Verteidigungsmaßnahmen von X gegen Plattformmanipulation manipuliert oder stört.

Was bedeutet das für meinen Account?
Die Reichweite deines Accounts ist möglicherweise eingeschränkt. Auch seine Inhalte können vorübergehend eingeschränkt sein, z. B. indem sie von Trends, Antworten und Empfehlungsmitteilungen ausgeschlossen sind. [Mehr erfahren.]“

Dieser Artikel wurde erstmals am 07.12.2024 veröffentlicht.

Quelle: Progressive Stimme - Argumente, Fakten, Quellen - https://progressivestimme.de